Dienstag, 1. April 2008

Hidden Champions - klein, aber oho

So schön das Studentenleben auch ist, wir sollten doch der Wahrheit ins Auge sehen: wir Studenten wollen nach Abschluss des Studiums einen möglichst gut bezahlten Job. Semester für Semester absolvieren wir Klausuren und Hausarbeiten, das Grobziel Traumjob, für den sich dieser Aufwand lohnen soll, immer im Blick. Würden wir unsere Kommilitonen nach ihren Jobpräferenzen fragen, erhielten wir Antworten wie „Global Player“, „abwechslungsreiches Tätigkeitsfeld“ oder „großer eigener Entscheidungsspielraum“ und „gute Aufstiegschancen“. Erst später erkennen viele, dass in großen Unternehmen zwar die Aufstiegschancen anhand von festen Karriereplänen vorbestimmt sind, dies jedoch auf Kosten des erfahrungsgemäß zunächst eingeschränkten Tätigkeitsfeldes erfolgt.

Viele Absolventen stehen also vor der Entscheidung zwischen „Großer Name, wenig Verantwortung“ und „klein, aber oho“. Sie orientieren sich zumeist eher an großen Firmen und verkennen dabei die Chancen, die ihnen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bieten können.

Doch warum unterliegen kleinere Unternehmen bei diesen Entscheidungen oft den Global Players?
Welche Chancen bieten mittelständische Unternehmen, die große Konzerne nicht bieten können? Wie können KMU sich für Absolventen attraktiver machen und das Bewusstsein dafür schaffen, dass sie eine lohnenswerte Alternaive sind?
Es ist ein Gerücht, dass Mittelständler uns Akademikern keine adäquaten Jobs bieten können. Zahlreiche kleine Firmen befinden sich im Übergang zu professionell geführten Unternehmen mit Abteilungen für Forschung und Entwicklung, Controlling, Marketing und Personal. Für diese Umgestaltung benötigen sie Profis: Warum sollten sie nicht einen motivierten Absolventen mit Mut und Ideen für Neues einstellen?
Problematisch ist dabei, dass sich diese Nachricht nicht verbreitet. Viele KMU betreiben so gut wie kein Personalmarketing und eine oft nur wenig professionelle Personalarbeit. Die frischgebackenen Absolventen wissen folglich nichts von den direkten Einstiegschancen in die Wirtschaft mit entsprechender Verantwortung.


Beim Versuch der genaueren Analyse der KMU wurden anhand einer Reihe von Fakten verschiedene Definitionen entwickelt. Die EU-Kommission, das Institut für Mittelstand (IfM) und die Kreditanstalt für Wiederaufbau sind sich dabei nicht durchgängig einig (siehe Kasten).
Fakt ist, dass rund 99 Prozent aller deutschen Unternehmen mittelständische Firmen sind, wenn dazu Betriebe mit bis zu 500 Mitarbeitern bzw. maximal 50 Mio. Euro Umsatz gezählt werden. Natürlich müssen innerhalb dieser Gruppe beachtliche Differenzierungen vorgenommen werden:
Rund 1,7 Mio. Betriebe beschäftigen 1 bis 9 Mitarbeiter, was in der Summe über 4,8 Mio. Beschäftigte ausmacht.
Etwa 400.000 Betriebe mit 10 bis 499 Mitarbeitern beschäftigen mehr als 16 Mio. Menschen.
Fast 5.000 Firmen mit über 500 Mitarbeitern zählen etwa 6 Mio. Beschäftigte.
Insgesamt arbeiten also über 25 Mio. Menschen im deutschen Mittelstand in kleinen und mittleren Unternehmen. Allein im letzten Jahr wurden im Mittelstand etwa 600.000 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Die KMU beschäftigen demnach rund 75 Prozent der Arbeitnehmer und bilden fast 80 Prozent aller Auszubildenden aus.

KMU arbeiten oft nahezu unsichtbar. Sie produzieren entweder in Nischen oder stellen Zulieferteile her und das häufig mit großem Erfolg. So sind nicht nur deutsche Großunternehmen, gemessen am Weltmarktanteil bzw. an ihrer Weltmarktposition, in ihren Branchen führend. Vielmehr lassen sich gerade in Deutschland, von Automobilzulieferern bis zu Zierfischfutteranbietern, viele Beispiele für mittelständische Marktführer finden. Der Großteil dieser so genannten „Hidden Champions“ bildet das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Für viele dieser wahrhaftigen Wirtschaftsstars Deutschlands sind Marktanteile über 50 Prozent nicht ungewöhnlich. Sie nehmen im internationalen Wettbewerb Positionen ein, von denen große Unternehmen oft nur träumen können.
Trotz dieser Tatsache und ihrer demnach enormen Wichtigkeit, bleiben die meisten Mittelständer dem Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit verborgen. Das liegt sicher häufig an dem Charakter ihrer Produkte, die typischerweise in die Leistungserstellung oder den Produktionsprozess einfließen. Hier tragen sie in der Wertschöpfungskette deutlich zur Generierung des Mehrwertes bei, gehen aber letztendlich oft im eigentlichen Endprodukt unter.
Die KMU müssen sich, aufgrund ihrer schwächeren und weniger fest im Kopf der Stakeholder verankerten Positionierung, im Vergleich mit den Großunternehmen, ungleich mehr dem tagtäglichen Wettbewerb stellen. Sie müssen das Eigentümerrisiko selbst tragen. Nur durch ständige Neuentwicklungen und Investitionen können sie ihre Existenz im Mark behaupten. Sie sind die eigentliche Keimzelle von Fortschritt und Innovation. Der Mittelstand ist das Feld, auf dem die erfolgreichen Geschäftsideen dynamischer Unternehmer gedeihen und Früchte tragen. So generieren sie mehr als 50 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsproduktes.
Dies unterscheidet sie in besonderer Weise von angestellten Managern in Vorständen von Aktiengesellschaften, GmbHs und anderen großunternehmerischen Gesellschaftsformen.

Der Ideenreichtum, die Initiative und der Leistungswille der mittelständischen Unternehmer, Gewerbetreibenden und freien, unternehmerisch tätigen Berufe sind die Basis und der Motor unserer leistungsfähigen Wirtschaft und Gesellschaft.
Ein gesunder Menschenverstand und Ausdauer sind die Managementmethoden, an denen sich die Strategie dieser heimlichen Gewinner ausrichtet. Moderne Wege, wie strategische Allianzen, Best-Practice-Ansätze oder Benchmarking finden bei ihnen dagegen oft nur untergeordnete Beachtung.

Dieser entscheidende Unterschied zwischen KMU und Großkonzernen hat auch Auswirkungen für die Mitarbeiter. Während Großunternehmen i. d. R. starre Strukturen aufweisen, ist in kleineren Unternehmen Flexibilität, Kreativität und Engagement gefragt. Die Hierarchien sind hier flach und die Entscheidungswege kurz, die Handlungsspielräume und das Innovationspotential dagegen groß – die Karrierechancen liegen folglich auf der Hand.

Schon vor über 50 Jahren hat der einstige Bundeskanzler Konrad Adenauer in einer Rede gesagt:
"Der Mittelstand ist eigentlich das Gesündeste in einem Staatskörper."
Im Jahr 1986 ergänzte der damalige Regierungschef Helmut Kohl: "Flexibilität und Anpassungsfähigkeit – sie sind nicht gerade das Merkmal von Großunternehmen, sie sind das Markenzeichen von Handwerk und Mittelstand". Auch heute sprechen sowohl der designierte Kanzler Gerald Schröder, als auch die aktuelle Kanzlerin Angela Merkel vom "Mittelstand als Jobmotor" und „Motor des Wachstums“.

Doch auch dieser Jobmotor gerät ins Stottern, wenn ihm der Treibstoff ausgeht. Treibstoff in Form von Fachkräften und Akademikern, die einen direkten Einstieg im Mittelstand suchen und finden!

Viele Unternehmen sind außerhalb ihrer Region fast gänzlich unbekannt. Das liegt zum einen an einer unzureichenden Pressearbeit und der daraus folgenden Nichtbeachtung durch die Medien und die Öffentlichkeit. Auf der anderen Seite ist es ein Resultat fehlenden oder unzureichenden Personalmarketings und Recruitings.

Eine Studie hat am Beispiel der Automobilzulieferer aufgearbeitet, in welcher Weise und in welchem Ausmaß mittelständische Unternehmen derzeit ihre Presse- und Öffentlichkeitsarbeit handhaben. So wurde zunächst festgestellt, dass das Bewusstsein für die Bedeutung von Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit in der Branche grundsätzlich zunimmt. Fast 83 Prozent der Betriebe gaben an, dass professionelle Pressearbeit in Zukunft für ihren Erfolg wichtig bzw. sehr wichtig sein wird.

Indessen zeigt ein Blick in die Praxis allerdings gegenteiliges. Zwar gaben über 65 Prozent der Unternehmen an, aktiv Pressearbeit zu betreiben, jedoch informieren mehr als 78 Prozent die Medien nur unregelmäßig über ihre Arbeit. Lediglich ein Viertel der Zulieferer beschäftigt einen eigenen Pressesprecher. Die Mehrheit lässt Presseanfragen von der Geschäftsführung und sonstigen Mitarbeitern beantworten. 15 Prozent bedienen sich eines externen Dienstleisters.

Aber auch kleine Unternehmen ohne großes Budget können regelmäßig in den Medien erscheinen. Um dies zu bewerkstelligen, müssen Journalisten die richtigen Inhalte, sprich interessante sowie medienwirksame Themen und Nachrichten angeboten werden. Die Öffentlichkeitsarbeit des deutschen Mittelstandes weist diesbezüglich jedoch ganz erhebliche Defizite auf. Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Kommunikationsmanagement der Fachhochschule Osnabrück verläuft die Pressearbeit in mittelständischen Unternehmen generell eher "handgestrickt", wird von Einzelaktionen bestimmt und ist bestenfalls lokal ausgerichtet. Hier ist dementsprechend mehr Einsatz durch Investitionen gefordert. Daraus entstehende Image- und Bekanntheitsgradsteigerungen sollten ausreichende Anreize bieten. Die Öffentlichkeitsarbeit sollte, idealer Weise, zur Chefsache gemacht werden. Dieser muss dafür wiederum einen echten Profi gewinnen.

Ein großer Suchmaschinenanbieter hat dies bereits erkannt. So schenkt er jedem Mittelständler für Auftritt und Werbung im Internet ein Startguthaben von 30 Euro. Diese Mittelstandsinitiative besteht aus drei Features: lokale AdWords-Anzeigen, Adwords Webpages und Analytics. Dabei lassen sich beispielsweise mit dem Analytics-Tool die Ergebnisse von Online-Kampagnen messen und Besucherströme auswerten. So können die Werbetreibenden herausfinden, welche Suchbegriffe am häufigsten geklickt werden, auf welchen Anzeigentext die meisten Reaktionen erfolgen und mit welchen Zielseiten und Inhalten die meisten Umsätze generiert werden.

Die Unternehmen auf der einen Seite, aber auch die Medien als Meinungsmacher, rücken mittelständische Unternehmen zu selten in den Fokus des öffentlichen Interesses. Nur vereinzelt richten sich die Scheinwerfer der Fernsehsender auf mittlere und kleine Betriebe aus Industrie und Handel, dem Gewerbe, Handwerk oder Dienstleistungsbereich. Rundfunkinterviews, mit den innovativen und tüchtigen Mittelständlern, sind Raritäten. Ähnliches gilt auch für die überregionalen Printmedien. Auch hier muss Bewusstsein für die KMU geschaffen werden. Aus den bereits dargelegten Gründen stehen kleine und mittelständische Unternehmen in punkto Relevanz für die deutsche Wirtschaft längst nicht mehr im Schatten der Großunternehmen und sollten dementsprechend auch in den regionalen sowie überregionalen Medien berücksichtigt werden.

Letztendlich sind die „hidden champions“ der deutschen Wirtschaft die Innovationsträger. Sie sind in hohem Maße spezialisiert und jeweils auf ein eigenes enges Marktsegment fokussiert. Sie geben sich oft nicht mit vorgegebenen Märkten zufrieden, sondern schaffen erfolgreich neue Märkte im privaten oder gewerblichen Bereich. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen werden von ambitionierten Zielen und unternehmerischen Visionen angetrieben, die bei Unternehmern und Mitarbeitern das entsprechende Ausmaß an Energien mobilisieren und so die Zielerreichung und Umsetzung im internationalen Wettbewerb erst ermöglichen.

Autoren:

Oliver Kühne & Philip Dietrich


Links und Literatur
// Mittelstandsblog
www.mittelstandsblog.de

// Initiative Mittelstand:
www.imittelstand.de

// Institut für Mittelstandsforschung Bonn
www.ifm-bonn.org

// Hermann Simon: Die heimlichen Gewinner (Hidden Champions). Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer. Aus dem Englischen von Jürgen Lorens. Frankfurt/M.: Campus 1996. ISBN 3-593-35460-8

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen